Die weltweite Entwicklung der Bevölkerung war noch nie so extrem wie im vergangenen Jahrhundert: Lebten um 1900 noch 1,6 Milliarden Menschen, so ist die Weltbevölkerung binnen hundert Jahre auf mehr als 6 Milliarden Menschen angewachsen. Heute konzentriert sich das Bevölkerungswachstum nahezu ausschließlich auf die Entwicklungsländer, während in fast allen Industrieländern für die Zukunft von einem Bevölkerungsrückgang auszugehen ist. Diese heterogene und ungleichzeitige Dynamik globaler demographischer Prozesse, ihre Ursachen und Konsequenzen erlangen im öffentlichen Diskurs zunehmende Aufmerksamkeit. Dabei ist das Bewusstsein gewachsen, dass veränderte Geburtenziffern, die Altersentwicklung und Migrationsbewegungen nicht nur die wirtschaftliche und soziale Entwicklung von Gesellschaften beeinflussen, sondern auch im Zusammenhang mit Umweltveränderungen zu betrachten sind. Die Frage, wo, wann, wie viele Menschen welchen Alters leben und wohin sie in welcher Zahl migrieren, betrifft in herausragender Weise Fragen einer nachhaltigen Entwicklung.

Im Projekt werden die Implikationen der Bevölkerungsveränderungen nicht einseitig auf Umweltveränderungen bezogen, sondern als sozial-ökologische Problemstellung behandelt. Konkretisiert wird dies am Beispiel der Versorgungssysteme für Wasser und Nahrung: Beide Versorgungssysteme sind für die Befriedigung elementarer Bedürfnisse unabdingbar und sie sind von globaler Bedeutung. Heute ist die nachhaltige Versorgung mit Wasser und Nahrungsmitteln in vielen Regionen stark gefährdet und befindet sich in tiefgreifenden globalen Umbrüchen. An den sozial-ökologischen Problemlagen der Wasser- und Nahrungsversorgung soll untersucht werden, in welcher Weise die Bevölkerungsdynamik relevant ist für krisenhafte Entwicklungen der Versorgung.

Im Zentrum stehen Wechselwirkungen zwischen unterschiedlichen demographischen Entwicklungen und Transformationen der Versorgungssysteme als sozial-ökologische Problemlagen. Übergreifende Forschungsfragen sind:

– In welcher Weise hängen die von den Versorgungssystemen zu erbringenden Leistungen von der Gesamtzahl der zu versorgenden Menschen, deren Bedürfnissen, sozialem Status, dem Konsumverhalten und Lebensstilen ab?

– Inwiefern sind demographische Prozesse für die krisenhafte Entwicklung und die Transformation der Versorgungssysteme relevant?

– Was bedeutet eine nachhaltige Versorgung, insbesondere mit Wasser und Nahrungsmitteln – angesichts der heterogenen demographischen Entwicklungen in verschiedenen Weltregionen?

Ziel ist es, ein konzeptionelles Modell der komplexen Interaktionen und Wechselwirkungen zu entwickeln, das für unterschiedliche Bevölkerungsdynamiken, verschiedene Versorgungssysteme und unterschiedliche soziale Kontexte angemessen ist. Durch das spezifische methodische Vorgehen sollen sukzessive differenzierte Aussagen über das Netz der Wirkungszusammenhänge entwickelt werden. Dabei sind die dynamischen Größen zu identifizieren, die Prozesse verstärken oder schwächen, um Ursachen für Regulationsstörungen zu erkennen. Auf Grundlage dieser Erkenntnisse sollen am Ende einige Lösungsansätze aufgezeigt werden.

Im Projekt wird dafür ein transdisziplinärer Zugang mit unterschiedlichen disziplinären und interdisziplinären Ansätzen und Methoden kombiniert und es werden empirische und theoretische Teile miteinander verknüpft: In disziplinären Einzelprojekten wird die übergreifende Fragestellung spezifiziert, um Teilprobleme sowie fachspezifische Fragestellungen zu bearbeiten, z.B. die Bedeutung ökonomischer Veränderungen für die Bewirtschaftung von Wasserressourcen. Empirisch unterfüttert wird die theoretische Arbeit durch historische und aktuelle Fallstudien in ausgewählten Regionen. Um die Heterogenität der Bevölkerungsveränderungen zu berücksichtigen, focussieren die Teilprojekte auf je spezifische demographische Entwicklungen: Im Zentrum stehen jeweils Prozesse des Bevölkerungswachstums, der Bevölkerungsschrumpfung oder der Migration. Ebenso werden in den Einzelstudien Schwerpunktsetzungen bezüglich der beiden Versorgungssysteme vorgenommen. Parallel zur multidisziplinären Analyse werden im Rahmen der theoretischen Integration die Resultate der disziplinären Projektteile und Fallstudien wieder in den interdisziplinären Kontext überführt und verallgemeinert. Die theoretische Integration erfolgt insbesondere durch die gemeinsame Arbeit am Konzept der gesellschaftlichen Naturverhältnisse.

Im Projekt arbeiten Wissenschaftlerinnen der Disziplinen Biologie, Geographie, Soziologie, Ökonomie und Politikwissenschaft. Die Mitglieder des Nachwuchsprojekts nutzen die Forschungsarbeit für die individuelle Qualifizierung (Dissertationen und Habilitationen), zugleich qualifizieren sie sich für die transdisziplinär angelegte sozial-ökologische Forschung.


Hauptphasen des Projekts

Vorbereitungsphase (März 2002 – August 2002)

Interdisziplinäre Problemanalyse (September 2002 – Februar 2003)
- Fragestellung
- Theoretischer Rahmen
- Auswahl Versorgungssysteme
- Forschungsdesign

Multidisziplinäre Analyse/ Theoretische Integration (März 2003 – Februar 2006)
- Bearbeitung fachspezifischer Fragestellungen
- Empirische Fallstudien
- Überprüfung theoretischer Grundbegriffe
- Weiterentwicklung Konzept Gesellschaftliche Naturverhältnisse

Transdisziplinäre Integration (März 2006 – August 2007)
- Integration der Ergebnisse
- Abschluss wissenschaftlicher Qualifikationen
- Dissemination in Fachdiskurse, sozial-ökologische Forschung und Demographie
- Forschungsdesiderate

Stand: November 2003

Biologisches Teilprojekt
Geographisches Teilprojekt
Politikwissenschaftliches Teilprojekt
Ökonomisches Teilprojekt
Soziologisches Teilprojekt