Die politische Sicherung der Versorgung: Ressourcenkonflikte, Nut-zungskonkurrenzen und Governance in Regionen mit „Bevölkerungsdruck“ – Fallstudie Naher Osten

Diana Hummel

In der Diskussion um die Ursachen und Auswirkungen der Wasserknappheit sowie feh-lender Ernährungssicherheit spielen Überlegungen zum Bevölkerungswachstum und in dessen Folge der steigende Bedarf nach Wasser und Nahrungsmitteln eine zentrale Rolle. Argumentiert wird zumeist, dass die nachhaltige Versorgung der Bevölkerung mit elementaren Gütern wie Trinkwasser und Nahrungsmitteln durch einen Bevölkerungs-anstieg gefährdet werden.

Im Zentrum des politikwissenschaftlichen Teilprojekts von steht die Problematik des Bevölkerungswachstums und sozial-ökologischer Problemlagen der Wasserversorgung in Entwicklungsländern. Unter Berücksichtigung der Frage nach Problemen der Produktion und Verteilung von Nahrungsmitteln werden Verknüpfungen mit der Nahrungsversorgung erforscht. In einer empirischen kulturvergleichenden Studie in einer Region mit Bevölkerungswachstum und Wasserknappheit wird untersucht, wie sich die Nachfrage nach Wasser und der Zugang zu dieser Ressource unter Bedingungen steigender Bevölkerungszahlen verändern und welche politischen sowie sozio-kulturellen Praktiken den Umgang mit den daraus resultierenden sozial-ökologischen Problemlagen bestimmen.

Übergreifende Fragen sind: Welche Bedeutung kommt der demographischen Entwicklung innerhalb der Faktoren zu, welche die steigende Nachfrage nach Wasser beeinflussen? Wie wird die politische Sicherung der Versorgung gestaltet? Welche Probleme stellen sich dabei? Was sind die Voraussetzungen einer nachhaltigeren Versorgung mit Wasser und Nahrungsmitteln unter Bedingungen des Bevölkerungswachstums?

Wechselwirkungen zwischen der Bevölkerungsentwicklung und Systemen der Wasserversorgung betreffen nicht zuletzt die Frage: Wer nutzt künftig wie viel Wasser – und für welche Zwecke? Diese Frage kann interpretiert werden als „Wer hat das Recht auf wie viel Wasser“ oder „Wer hat wie viel politische Macht, seine Interessen bei der Wassernutzung durchzusetzen“. Es geht also um die Frage, wie politische, ökonomische, soziale, kulturelle und rechtliche Faktoren die Versorgung mit Wasser und Nahrungsmitteln beeinflussen. Darauf aufbauend ist zu prüfen, wie der Faktor Bevölkerungswachstum im Kausalgefüge der komplexen Problemlagen zu verorten ist.

In diesem Kontext wird die Bedeutung der Bevölkerungsentwicklung bei der Entstehung und Austragung von Konflikten um die Ressource Wasser genauer untersucht. Aufgrund seiner Knappheit ist Wasser in ariden und semi-ariden Regionen eng verknüpft mit den klassischen Konfliktbereichen Herrschaft, Sicherheit und Wohlfahrt. Vielfach stellt sich mit Wasser inner- und zwischenstaatlich die Machtfrage; Wasser ist in der Austragung von Konflikten häufig sowohl Ursache als auch Instrument. Analysiert wird, wie in diesen Konflikten in unterschiedlichen institutionellen Arrangements und Aushandlungsprozessen von verschiedenen Akteuren der Faktor „demographische Entwicklung“ thematisiert wird.

Die Fragestellung wird in einer Fallstudie zum Nahen Osten (Israel, Palästina und Jor-danien) konkretisiert. Diese Region ist von extremer Wasserknappheit und zugleich starkem Bevölkerungswachstum geprägt. Nach aktuellen Prognosen wird sich Jordaniens derzeitige Einwohnerzahl von 5,6 Millionen bis zum Jahr 2050 auf 10,2 Millionen fast verdoppelt haben; im gleichen Zeitraum wird die Bevölkerung Israels auf 10,6 Millionen und die Bevölkerung im Gaza-Streifen und des Westjordanlands auf knapp 12 Millionen Menschen anwachsen. Alle drei Staaten bzw. Territorien sind in starkem Maße auf international geteilte Gewässer angewiesen, deren politische Kontrolle umkämpft ist. Der Wasserverbrauch übersteigt bereits in starkem Umfang die vorhandenen erneuerbaren Wasserressourcen. Hinzu kommt eine extrem ungleiche Verteilung der Wasserressourcen.

Es wird mit der Hypothese gearbeitet, dass neben den zwischenstaatlichen Konflikten um die Ressource Wasser aufgrund der demographischen Entwicklung mehr und mehr interne Nutzungskonflikte an Bedeutung gewinnen. Insbesondere zeichnet sich eine wachsende Konkurrenz zwischen den Sektoren Landwirtschaft und Siedlungswasserwirtschaft ab. Der mit Abstand größte Anteil des genutzten Wassers fließt in die Bewässerungslandwirtschaft. Ihr ökonomischer Nutzen ist jedoch vielfach gering: Im Durchschnitt beschäftigt sie in der Region nur 8 Prozent der Erwerbstätigen und erwirtschaftet einen Anteil von 5-7 Prozent des Bruttoinlandproduktes. Die Bewässerung großer Teile der landwirtschaftlichen Fläche hat nicht nur hohe Kosten zur Folge, sondern auch die Versalzung der Böden und andere Umweltprobleme.

Lösungswege zum Umgang mit der Wasserknappheit reichen von technologischen Ansätzen wie Meerwasserentsalzungsanlagen oder Staudämmen über eine differenzierte Nutzung von Wasser unterschiedlicher Qualität (vor allem der Verwendung wiederauf-bereiteten Abwassers in der Landwirtschaft) bis hin zur Umverteilung zwischen den Sektoren, insbesondere von der Landwirtschaft hin zu den Haushalten und der Industrie.

Im Teilprojekt wird untersucht, welche Folgen sich daraus für die Landwirtschaft ergeben und wie die Bevölkerungsentwicklung beeinflusst wird. Das Konzept des „Virtuellen Wassertransfers“, das den Import wasserintensiver Nahrungsmittel als eine Form des Umgangs mit der Wasserkrise vorsieht, ist dabei von großer Bedeutung. Anhand dieses Konzepts werden Möglichkeiten sozial-ökologischer Regulation analysiert.

Stand: März 2006