Bedeutung demographischer Schrumpfungsprozesse für institutionelle Arrangements und das Ressourcenmanagement in Versorgungssystemen. Eine ökonomische Analyse am Beispiel der Wasserwirtschaft.

Alexandra Lux

Welche Bedeutung haben demographische Schrumpfungsprozesse für die Versorgung der Bevölkerung mit Wasserdienstleistungen und für das Wassermanagement? Diese Frage bildet den Kern des ökonomischen Teilprojektes im Rahmen von demons. Durch die Analyse der verschiedenen Facetten des Einflusses der Veränderung von Bevölkerungsgröße und -struktur auf die Wasserwirtschaft bzw. -bewirtschaftung sollen Möglichkeiten für den Umgang mit daraus resultierenden Problemlagen erarbeitet werden. Die theoretische Arbeit wird unterstützt durch die Untersuchung kommunaler Fallbeispiele aus Sachsen-Anhalt. Insgesamt zielt das Teilprojekt auf die Identifizierung von Ansatzpunkten zur nachhaltigen Sicherung der Wasserversorgung unter der Bedingung des Bevölkerungsrückgangs bzw. unter Unsicherheit zukünftiger Entwicklungen.

Die Relevanz demographischer Veränderungen für netzgebundene Infrastrukturen kommt in Industrieländern erst langsam in den Blick. Jedoch ist insbesondere die Verringerung der Bevölkerungszahl und die Abnahme der Bevölkerungsdichte wesentlich für die Bestimmung des Wasserbedarfs und damit für die Gestaltung der Versorgung mit Frischwasser und die Aufbereitung von Abwasser. Darüber hinaus wird die gesellschaftliche Bewertung der Ressource Wasser zunehmend durch ökonomischen Kriterien vorgenommen, soziale Ansprüche und ökologische Leistungen des Wassersektors treten offenbar in den Hintergrund. Will man aber die Nachhaltigkeit der Versorgung fokussieren, sind neben einer rein ökonomischen Effizienz des Sektors auch die effiziente Erreichung von Versorgungssicherheit und -qualität wie auch Gemeinwohlaspekte zu berücksichtigen.

In der Vergangenheit sind für die Versorgung der Bevölkerung mit Wasser – und damit auch für die individuelle Bedürfnisbefriedigung – institutionelle Strukturen etabliert worden, welche die Nutzung von Wasserressourcen für verschiedene Zwecke und in unterschiedlichen Formen ermöglichen. Diese institutionellen Strukturen werden einerseits durch die ökonomischen Rahmenbedingungen (eines Landes, einer Region, einer Kommune, eines Versorgungsunternehmens) geprägt, andererseits von der Bevölkerungsentwicklung, da diese u. a. die Nachfrage nach Wasser bzw. den Bedarf an Infrastrukturen der Siedlungswasserwirtschaft bestimmt. Mit den demographischen Schrumpfungsprozessen wie auch durch die zunehmende ökonomische Bewertung von Versorgungsleistungen werden neue Anforderungen an die institutionellen Arrangements in der Wasserwirtschaft gestellt: Die bislang auf Wachstum ausgerichteten institutionellen Strukturen erscheinen unter Schrumpfungsbedingungen nicht mehr effektiv, Veränderungen werden notwendig, die auch die Nachhaltigkeit der Versorgung gewährleisten können.

So liegt beispielsweise für die Planungsprozesse in der Wasserwirtschaft die Problematik darin, dass die Grundlagen zur langfristigen Bestimmung der Bedarfsentwicklung von hohen Unsicherheiten geprägt sind – und damit Prognosen nur schwer treffsicher zu formulieren sind. Gleichzeitig muss die Planung aber aufgrund der Langlebigkeit der materiellen Infrastruktur sehr langfristig angelegt sein (ca. 40-100 Jahre) – sie ist damit aber auf die Langfrist-Prognosen des Bedarfs angewiesen. Aus diesem Spannungsverhältnis ergibt sich die Frage, wie Planungsinstrumente so gestaltet werden können, dass auf unvorhersehbare Entwicklungen, z.B. im Verbrauch, kurzfristig reagiert werden kann, also wie Entscheidungen zukunftsoffen und flexibel gehalten werden können. Es ist die Relevanz des demographischen Wandels für den Wasserverbrauch und die zukünftigen Nutzungsmuster für Wasser zu bestimmen. Damit wird auch davon ausgegangen, dass durch die Veränderung von Nachfragestrukturen die bestehenden Infrastruktursysteme – abgesehen von technischen Schwierigkeiten – auch an ihre ökonomischen Grenzen gebracht werden können.

Diese Grenzen zeigen sich beispielsweise in den Preisbildungsmechanismen, die der Wasserversorgung (und auch in der Entwässerung) zugrunde liegen: Ausgangspunkt ist, dass die Kosten der Wasserversorgung überwiegend verbrauchsunabhängig sind (d. h. hohe Fixkostenblöcke vorliegen), die Abrechnung mit den KundInnen jedoch hauptsächlich verbrauchsgerecht erfolgt. Während in Zeiten des Wachstums die mangelnde Kongruenz der Kosten- und Preisstruktur nicht zu Problemen der Kostendeckung führt, wird unter den Bedingungen des Rückgangs des Wasserverbrauchs ein mangelnder Deckungsbeitrag zu den fixen Kosten erwirtschaftet; denn geringerer Verbrauch bedeutet derzeit niedrigere Einnahmen bei (nahezu) gleich bleibenden Kosten. Da die Anpassung der Preisstrukturen nur ex-ante und damit zeitlich verzögert auf Veränderungen in der Nachfrage reagieren kann, entsteht mindestens im Übergang (d. h. während sich Nachfragemuster verändern) Probleme, die Kostendeckung in der Wasserwirtschaft zu garantieren. Es ist hier nach Modellen zu suchen, wie dieser Übergang zu gestalten ist. Dabei ist neben dem Prinzip der Kostendeckung auch die Ausgestaltung anderer finanzwissenschaftlicher Grundlagen der Preisbildung in der Wasserwirtschaft kritisch zu überprüfen, insbesondere das Äquivalenz- und das Gerechtigkeitsprinzip.

Da die Siedlungswasserwirtschaft nicht unabhängig von ihren natürlichen Grundlagen, den Wasserressourcen, existieren kann, schließt hier die Frage an, inwiefern bei sich verändernden Bedarfsstrukturen und Nutzungsmustern neue Methoden des nachfrageorientierten Managements von Wasserressourcen erforderlich werden. Denn die Beziehungen zwischen Bevölkerungsveränderung, Wasserversorgung und Wassermanagement ist damit nicht lediglich als Kausalkette zu verstehen, sondern als reziproker Wirkungszusammenhang.

Es lassen sich also zwei zentrale Zusammenhänge formulieren, die das ökonomische Teilprojekt charakterisieren: Einerseits wird das Wirkungsgeflecht zwischen der Bevölkerung bzw. den demographischen Veränderungen und den NutzerInnen bzw. Nutzergruppen sowie den (ökonomischen) Institutionen der Wasserwirtschaft betrachtet. Auf der anderen Seite stehen die mittelbaren Wirkungen der demographischen Veränderungen über die ökonomischen Strukturen auf die Allokation der Ressourcen. Diese beiden Komplexe sind in den meisten Nutzungskontexten über die Ökonomie verbunden.

Stand: Oktober 2005